Unternehmenskultur ist ein Verb!

15 Mythen, die eine Kulturentwicklung in die falsche Richtung laufen lassen.

Wenn es um die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur geht, passiert es oft sehr leicht, sich in einem Labyrinth aus Mythen und Missverständnissen zu verirren. Diese Fehlannahmen können mehr als nur harmlose Irrtümer sein; sie können die Entwicklung einer authentischen und lebendigen Kultur verhindern und dem Unternehmen schaden und vor allem den Menschen im Unternehmen eine hohe Frustrationstoleranz abverlangen.

Tauchen wir tiefer in diese 15 Mythen ein, um ihre inhaltlich zu entwirren und aufzulösen, wobei wir uns eine Prise wertschätzende Ironie und vielleicht ein Quäntchen Weisheit erlauben.

  1. Der Mythos des “Einfach Anknipsen”: “Ab morgen sind wir alle wertschätzend und respektvoll, innovativ und kreativ!” Dies ist sicher ein Ausspruch, der langsam seinen Status als Mythos verliert. Dennoch erleben wir immer wieder solche Aussagen, dass die Transformation der Unternehmenskultur wie ein Lichtschalter sei – ein schneller Klick, und plötzlich ist alles anders. Dieser Mythos übersieht die Notwendigkeit kontinuierlicher Anstrengungen und des Engagements aller Beteiligten. Kulturwandel ist ein Marathon, kein Sprint, und erfordert mehr als nur den Wunsch nach Veränderung; er verlangt nach Ausdauer und der Bereitschaft, auch mal im Dunkeln zu tappen, bis das Licht wirklich angeht.

  2. Der Mythos des Kultur-Monolithen: Die Vorstellung, in jedem Winkel eines Unternehmens müsse eine uniforme Kultur herrschen, ist so wie der Glaube, dass in einem erfolgreichen Unternehmen jeder denselben Kaffee trinkt, dieselben Bücher liest und bei denselben Witzen lacht. Unternehmen sind Ökosysteme mit einer Vielzahl von Subkulturen. Der Versuch, eine Einheitskultur zu erzwingen, kann die einzigartigen Stärken und Perspektiven, die diese Vielfalt bietet, abwürgen. Vielfalt in der Einheit zu finden, bedeutet, ein gemeinsames Fundament zu haben, auf dem individuelle und teambasierte Besonderheiten blühen können.

  3. Der Mythos des “Wir brauchen nur einen Tischkicker”: “Sieh mal, wir sind jetzt wie Google!” Es ist verlockend zu glauben, dass die Bereitstellung von Tischkickern, Music Boxing und anderen Gimmicks, die Organisation von Partys oder extravagnaer Espressomaschinen in das Büro automatisch zu einer besseren Kultur führt. Sicher können das nette Extras sein, aber sie sind kein Ersatz für tiefere, bedeutungsvollere kulturelle Arbeit. Eine Kultur, die auf Werten, Vertrauen, Respekt und gegenseitiger Unterstützung basiert, lässt sich nicht kaufen – sie muss verdient und erarbeitet werden. 

  4. Der Kulturguru-Mythos: Die Erwartung, dass eine einzelne Person – der Kultur-Guru – mit weisen Worten und charismatischer Präsenz die Kultur eines ganzen Unternehmens verändern kann, ist leider auch nur eine Fiktion. Während Führung in der Kulturentwicklung wichtig ist, beruht wirklicher Wandel auf der kollektiven Kreativität, Aktion und Reaktion aller Mitarbeitenden. Ein Guru kann inspirieren, aber eine Kultur transformieren? Das erfordert ein Dorf.

  5. Der Mythos des großen Missverständnisses: “Erinnert ihr euch? Wir haben seit 1896 eine Unternehmenshistorie und eine Kultur!” Nicht selten erleben wir die Einstellung, Kultur sei etwas, das nur bei besonderen Anlässen hervorgeholt wird, ein bisschen wie das gute Porzellan. Doch Kultur ist das tägliche Brot eines Unternehmens, das Herzstück, das alles zusammenhält. Sie zu ignorieren oder als Selbstverständlichkeit zu betrachten, ist ein Rezept für echte unternehmerische Risiken.

  6. Der Mythos der Instant-Kultur: Die Hoffnung, dass das Adaptieren eines inspirierenden Buches oder eines motivierenden TED-Talks über Nacht eine kulturelle Renaissance entfachen kann, ist so verführerisch wie unrealistisch. Kultureller Wandel erfordert mehr als nur Inspiration – er benötigt “Transpiration”, harte Arbeit und die Bereitschaft, bestehende Muster zu hinterfragen und zu verändern.

  7. Der Copy-Paste-Mythos: “Es funktioniert bei Unternehmen X, also muss es auch bei uns funktionieren, oder?” Die Annahme, man könne Erfolgsrezepte anderer Unternehmen einfach kopieren, ignoriert die einzigartigen Umstände und Bedürfnisse des eigenen Unternehmens und vor allem der Menschen im eignen Unternehmen. Was in einem Kontext funktioniert, kann in einem anderen komplett fehlschlagen. Eine richtig gute Unternehmenskultur ist kein Einheitsbrei, sondern ein maßgeschneidertes, authentisches Gewand.

  8. Der “Nur positive Vibes”-Mythos: “Wir sind hier alle glücklich. Unzufriedenheit ist in Raum 404 – nicht gefunden.” Dieser Mythos propagiert eine Kultur, die nur positive Emotionen zulässt und Konflikte oder Kritik als Tabu betrachtet. Doch wahre kulturelle Stärke zeigt sich nicht in der Abwesenheit von Konflikten, sondern in der Fähigkeit, diese konstruktiv zu bewältigen und als Chance zu sehen. Eine Kultur, die nur “positive Vibes” zulässt, riskiert, zu einer Echo-Kammer zu werden, in der kritische Stimmen und innovative Ideen keinen Platz haben. 

  9. Der Mythos der unfehlbaren Führung: Die Vorstellung, dass die Unternehmensleitung immer genau weiß, welche Kultur am besten und wie diese zu entwickeln ist, setzt voraus, dass Führungskräfte allwissend sind und die Komplexität des Systems “Unternehmen” voll im Blick haben. Dieser Mythos untergräbt die Bedeutung von Vielfalt, Mitarbeiterengagement und dem kollektiven Weisheitspool eines Unternehmens. Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle in der Kulturentwicklung, aber sie sind Teil eines größeren Puzzles.

  10. Der Einheitsbrei-Mythos: “Individualität ist gut und schön, aber könnten wir nicht alle einfach genau gleich sein?” Der Glaube, dass alle im Unternehmen die gleichen Überzeugungen und Ziele teilen müssen, übersieht die Stärke, die in der Vielfalt der Perspektiven liegt. Eine kulturelle Monokultur ist anfällig für Blindheit und Stagnation, während eine vielfältige Kultur Resilienz und Anpassungsfähigkeit fördert. 

  11. Der Kultur-als-Alibi-Mythos: “Wir sind nicht ineffizient; das ist einfach unsere Kultur!” Wenn Kultur als Ausrede für fehlendes Leadership, schlechtes Management oder unterdurchschnittliche Leistungen herhalten muss, wird sie zum Sündenbock für tiefer liegende Probleme. Dies ist eine bequeme, aber letztlich selbstzerstörerische Haltung, die notwendige Veränderungen blockiert.

  12. Der “Eine Größe passt allen”-Mythos: “Alle lieben Karaoke, oder?” Die Vorstellung, dass eine einzige kulturelle Initiative in jedem Bereich des Unternehmens gleich gut funktioniert, ist so naiv wie ineffektiv. Jedes Team und jeder Bereich hat seine eigenen Dynamiken und Bedürfnisse; kulturelle Maßnahmen müssen diese Vielfalt widerspiegeln und respektieren.

  13. Der Mythos des kulturellen Stillstands: “Wir haben unsere Kultur in den 90ern festgelegt – warum etwas ändern?” Die Idee, dass einmal etablierte Kulturen für immer festgeschrieben sind, ignoriert die Tatsache, dass Unternehmen lebendige Entitäten sind, die sich entwickeln und verändern. Kultureller Stillstand ist der Anfang vom Ende; dynamische Anpassung ist der Schlüssel zum langfristigen Erfolg.

  14. Der Mythos der Sofortlösung: “Ein Teambuilding-Wochenende im Wald wird unsere tief verwurzelten Kommunikationsprobleme und fehlende Orientierung im Team sicher zum Besseren wenden.” Die Hoffnung, dass komplexe kulturelle Herausforderungen mit schnellen Fixes behoben werden können, ist eine gefährliche Illusion. Kultureller Wandel erfordert Zeit, Engagement und oft schwierige Entscheidungen. Es gibt keine Abkürzungen zu einer authentischen und lebendigen Unternehmenskultur.

Culture Bloom
“Culture Bloom”, die “Kulturblüte” – ein schönes Bild für eine richtig gute Kulturentwicklung (KI-generiertes Bild)

Und schließlich gilt es, auch mit diesem Mythos aufzuräumen: 

15. Der Mythos des “Kultur-aus-der-Dose”: Ab und zu begegnen uns auch Annahmen, dass die Kulturentwicklung wie das Erstellen eines Instant-Nudelgerichts sei – einfach heißes Wasser durch ein paar externe Coaches oder Berater hinzufügen lassen, kurz umrühren und voilà, die Unternehmenskultur ist servierfertig. Diese Sichtweise behandelt Kulturentwicklung als wären es Zaubersprüche: “Sag dreimal ‘Teamgeist’ schnell hintereinander, und der Geist der Zusammenarbeit wird erscheinen!”

Doch die Realität ist eher wie ein chaotisches Kochshow-Finale: Zutaten fliegen, nichts passt zusammen, und der Moderator der Show, die Geschäftsführung, versucht verzweifelt, das Chaos zu einem schmackhaften Ergebnis zu führen. Die Vorstellung, dass externe Berater mit einem strengen Plan vorbeikommen und die Kulturentwicklung “durchmanagen” können, übersieht die Tatsache, dass Kultur aus den unzähligen kleinen Interaktionen, Geschichten und gemeinsamen Erfahrungen besteht, die sich nicht einfach per Dekret ändern lassen.

Wahre Kulturentwicklung ist weniger “Folge dem Rezeptbuch” und mehr “Improvisationskochen mit dem, was du im Kühlschrank findest”. Es erfordert Geduld, Kreativität und die Bereitschaft, auch mal ein Gericht zu versalzen, daraus zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Und die Kulturentwicklung darf auch zum Lachen anregen, mit einer Prise Humor gesalzen sein und Spaß machen. 

Kurz gesagt, Unternehmenskultur entwickelt man nicht, indem man ihr einfach heißes Wasser hinzufügt – es sei denn, das Ziel ist eine Suppe, die niemand essen möchte. Wenn wir Sie fragen würden, ließen sich sicher noch 25 weitere Mythen zusammenstellen. Aber alleine diese 15 Mythen zeigen schon, dass Unternehmenskultur ein kontinuierliches Engagement erfordert.

Am Ende ist “Unternehmenskultur “ein Verb“, das durch die täglichen Aktionen und Entscheidungen jedes Einzelnen zum Leben erweckt wird. Indem wir uns diese Mythen bewusst machen und versuchen, sie zu überwinden, können wir den Weg für eine Kultur ebnen, die nicht nur existiert, sondern blüht (“Culture Bloom“), sich entwickelt und das Unternehmen sowie seine Menschen begeistert, erfolgreich, stolz und zufrieden macht.

Autor des Beitrags:
Jochen Schuchardt

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